In Zukunft werden wir mit KI zusammenarbeiten wie mit Menschen. Dabei ergänzen sich idealerweise die Fähigkeiten von Mensch und KI, um gemeinsam Neues zu schaffen. Damit das gelingt, muss KI humaner werden. Text: Thomas Gull
Im Labor von Anand van Zelderen hat die Zukunft der Arbeit bereits begonnen. Dort sitzen Johanna und Johan mit Menschen aus Fleisch und Blut am gleichen Bürotisch und arbeiten munter mit. Sie sind KI-Avatare, die aussehen wie Menschen und zumindest teilweise auch so reagieren. «Wenn man Johanna anspricht, antwortet sie, allerdings braucht sie dafür zwei bis drei Sekunden», erklärt Managementforscher van Zelderen vom Institut für Betriebswirtschaftslehre. Er geht davon aus, dass viele von uns künftig mit solchen KI-Avataren zusammenarbeiten werden und hat deshalb getestet, wie wir auf Mitarbeitende mit künstlicher Intelligenz reagieren. Das Ergebnis: Wenn sie menschliche Züge haben, sind wir eher bereit, sie wertzuschätzen, als bei einem Roboter oder traditioneller generativer KI wie ChatGPT.
Je menschlicher die KI aussieht und sich verhält, umso leichter fällt es uns, mit ihr zu kooperieren und ihr zu vertrauen. «Um KI erfolgreich in den Arbeitsalltag zu integrieren, müssen wir virtuelle Arbeitsumgebungen schaffen, in denen die Menschen auf möglichst natürliche Weise mit KI interagieren können», lautet van Zelderens Fazit. Er hat deshalb die Openverse Initiative gegründet, die zum Ziel hat, integrative, offene und ethisch verantwortliche virtuelle Welten zu schaffen und mittlerweile weltweit 25 akademische Einrichtungen umfasst. «Virtuelle Umgebungen, wie wir sie mit Openverse gestalten, können vollkommen verändern, wie wir arbeiten», sagt van Zelderen. Die technologische Revolution durch KI ermöglicht, dass auch kognitive menschliche Arbeit von Computerprogrammen erledigt wird.
Offen ist aber, welche menschlichen Tätigkeiten KI ersetzen kann. «In der Vergangenheit haben neue Technologien Aufgaben übernommen, die gut strukturiert und klar definiert waren», sagt Informatikprofessor Abraham Bernstein. «Die Frage ist, ob KI auch komplexere Arbeiten erledigen kann.» Im Moment ist das aus seiner Sicht noch nicht der Fall. «Heute ist die Zusammenarbeit des Menschen mit generativer KI wie etwa ChatGPT ein eher langweiliges Pingpong mit Auftrag und Antwort.» Dabei bleibt der KI-Algorithmus eine Blackbox, mit unbekannter Funktionsweise – und manchmal falschen Antworten. Die Herausforderung für die Nutzer:innen besteht darin, diese zu erkennen, weil auch falsche Antworten überzeugend formuliert werden.
Der Einsatz von KI in der Arbeitswelt hängt deshalb auch stark davon ab, wie verlässlich die Programme sind. Und: «Wir müssen nach wie vor in der Lage sein, zu beurteilen, ob die von KI gelieferten Ergebnisse etwas taugen. Deshalb müssen wir auch in Zukunft Dinge lernen, die wir so nie gebrauchen werden, weil die Maschine das besser und schneller kann, wie heute das Kopfrechnen», so Bernstein. Der Taschenrechner übernimmt zwar das Rechnen, wir brauchen aber nach wie vor mathematische Grundkenntnisse, um die Grössenordnungen von Zahlen einschätzen zu können.
Zu den dystopischen Visionen, die mit KI verbunden werden, gehört, dass sie menschliche Arbeit weitgehend überflüssig macht. Bernstein hält das für ein eher unrealistisches Szenario. Berufe bestünden aus einem Bündel von Tätigkeiten – einige davon könnten von KI übernommen werden, andere nicht. «Wir werden gewisse Arbeiten an die Maschinen abgeben und uns dafür auf andere konzentrieren können», lautet seine Prognose. Menschliche Intelligenz wird es auch künftig brauchen. Denn der Mensch kann noch besser denken als KI, weil wir reaktives und refl exives Denken verbinden können, erläutert Bernstein. Reaktiv bedeutet, schnell und unmittelbar auf Situationen zu reagieren, während reflexiv die Fähigkeit meint, eigene Ergebnisse kritisch zu hinterfragen.
Letzteres bereitet der KI (noch) Mühe. Der Einzug von KI in die Arbeitswelt bedeutet deshalb nicht, dass menschliche Arbeit obsolet wird, sondern vielmehr, so Bernstein, dass «Mensch und KI die richtige Beziehung finden müssen». Es braucht eine Kombination der Stärken beider Seiten: die unendliche Ausdauer und Rechenleistung der Maschinen und das analytische Denken, das Wissen und die Intuition des Menschen.
Das klingt vielversprechend. Van Zelderen warnt aufgrund seiner Studie mit Avataren jedoch vor negativen Auswirkungen der Arbeit mit KI: «Wir müssen aufpassen, dass wir nicht zu stark abhängig werden.» Wie seine Studie zeigt, engagieren sich die Menschen weniger, wenn sie mit KI zusammenarbeiten, und sind weniger zufrieden mit ihrer Arbeit. Van Zelderen hält es zudem für ungesund, den ganzen Tag in einer virtuellen Arbeitsumgebung zu verbringen. «Ideal ist eine Mischung von Realität mit virtuellen Elementen.»
Die grosse Herausforderung ist, die Zusammenarbeit mit KI so zu gestalten, dass sich die Menschen wohlfühlen. Dazu muss KI humaner werden, ist van Zelderen überzeugt, etwa indem sie ein menschliches Gesicht erhält und menschenähnliches Verhalten zeigt. Gleichzeitig sollte die Forsch ung generative KI nicht nur als Werkzeug betrachten, sondern als Mitarbeitende, weil die Interaktionen zwischen Mitarbeiter:innen und KI in vielerlei Hinsicht denen mit echten Menschen ähneln. «Wenn es gelingt, eine harmonische Zusammenarbeit von KI und den Menschen zu schaffen, werden die neuen Technologien das menschliche Potenzial nicht untergraben, sondern unterstützen.»
Gekürzte Version, Quelle: Oec. Magazin #22; vollständiger Artikel im UZH Magazin 3/2024
Abraham Bernstein ist Professor für Dynamic and Distributed Information Systems am Institut für Informatik UZH und Direktor der Digital Society Initiative. Anand van Zelderen ist ein Post-Doctoral Research Associate am Institut für Betriebswirtschaftslehre UZH.
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