Sozialer Wandel

Die Auswirkungen sozialer Netzwerke

Wie beeinflussen soziale Netzwerke die Menschen, damit sie ihre Werte und ihr Verhalten ändern? Von 2013 bis 2024 forschte ein interdisziplinäres Forschungsteam unter der Leitung von Prof. René Algesheimer, um die Auswirkungen sozialer Netzwerke auf den gesellschaftlichen Wandel besser zu verstehen. Text: Janine Hammer


Der Mensch ist von Natur aus ein soziales Lebewesen. Daher waren soziale Netzwerke schon immer von grundlegender Bedeutung für die Ausprägung menschlicher Verhaltensweisen, Werte, Überzeugungen und Kulturen - und für die Schaffung eines dynamischen Umfelds, in dem die Menschen sich gegenseitig beeinflussen können. Durch ihre Fähigkeit, Menschen miteinander zu verbinden und neue Normen und Gewohnheiten zu verbreiten, sind soziale Netzwerke daher von entscheidender Bedeutung für die Förderung weitreichender Verhaltensänderungen, die den sozialen Wandel unterstützen. Damit ein sozialer Wandel Wirkung zeigt, müssen die Verhaltensänderungen nicht nur von einer Mehrheit angenommen, sondern auch über einen längeren Zeitraum aufrechterhalten werden. Der Aufstieg von digitalen Plattformen wie Instagram und LinkedIn hat diese Dynamik verstärkt. Seit 2014 haben die zunehmende Bildschirmzeit und die geringeren persönlichen Interaktionen zu dichteren digitalen Netzwerken geführt, die die Beteiligung erhöhen und komplexe, schwer vorhersehbare Netzwerkeffekte erzeugen. Diese sich entwickelnden Interaktionen zeigen, wie wichtig es ist, soziale Netzwerke zu verstehen und zu nutzen, um kollektive Verhaltensänderungen zu bewirken.

Einsichten aus 12 Jahren Forschung

Die Auswirkungen sozialer Netzwerke auf Verhaltensänderungen zu verstehen war das Hauptziel des Universitären Forschungsschwerpunkts (URPP) „Soziale Netzwerke“ unter der Leitung von Prof. René Algesheimer vom Departement für Betriebswirtschaft. Während 12 Jahren kombinierte ein interdisziplinäres Team der Universität Zürich verhaltenswissenschaftliche Labor- und Feldexperimente sowie qualitative Erhebungen, um kollektive Verhaltensweisen zu simulieren und Szenario-Vorhersagen zu testen. Die Forschung hat gezeigt, dass das Verständnis von Verbindungen innerhalb von Netzwerken entscheidend ist, um sowohl individuelle als auch kollektive Verhaltensweisen zu verstehen. Auf individueller Ebene kann beispielsweise eine Verhaltensänderung nur stattfinden, wenn die Menschen zuvor auch ihre Werte und Meinungen geändert haben. Dies führt zu der wichtigen Erkenntnis, dass es für einen sozialen Wandel Schlüsselpersonen - so genannte Influencer - braucht, die die Anhänger:innen in ihrem Netzwerk dazu bringen, nicht nur ihre Werte, sondern auch ihr Verhalten zu ändern. Wenn sich diese Interaktionen auf der Mikroebene über das Netzwerk ausbreiten, führen sie zur Entstehung von Mustern auf der Makroebene und kollektiven Verhaltensweisen. Als Ergebnis definierte das Forschungsteam mehrere Rahmenwerke: eines zur Messung der Stabilität menschlicher Werte in der Kindheit, ein weiteres zum Verständnis der Entwicklung und Verbreitung von Werten in Netzwerken und ein drittes für die Gestaltung von Interventionen zum sozialen Wandel, die individuelle und kollektive Verhaltensmodelle integrieren. Das Team ermittelte auch Mechanismen, die den Erfolg von Interventionen in sozialen Netzwerken erleichtern oder behindern. Die Ergebnisse wurden durch Netzwerkinterventionen in Schweizer Schulen, Experimente mit digitalen Plattformen zur Steigerung des nachhaltigen Konsums und Saatgutprogramme zur Förderung nachhaltiger Verhaltensweisen bei Kakaobauern in der Elfenbeinküste umgesetzt.

Kontinuierliche Forschung und Wirkung

Nach 12 Jahren Forschung und über 330 wissenschaftlichen Arbeiten ist das URPP Social Networks abgeschlossen. Doch die Auswirkungen des Programms reichen über sein formales Ende hinaus. Die Forscher:innen wollen ihre Erkenntnisse nutzen, um konkreten Maßnahmen für Politik und Wirtschaft zu entwickeln, indem sie ein Kompetenzzentrum für sozialen Wandel - The Change Lab - gründen, für das sie derzeit Sponsoren suchen.

René Algesheimer ist Professor für Marketing for Social Impact am Departement für Betriebswirtschaft der Universität Zürich. Seine Forschungsinteressen liegen in der Untersuchung menschlicher Werte, des Wohlbefindens der Konsumenten und sozialer (Einfluss-)Prozesse für ein nachhaltiges Leben. Er unterrichtet an der Executive Education das Modul Marketing Management im CAS in General Management.

Quelle: Oec. Magazin Ausgabe #22


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Anil Özdemir

Business Administration: General Management & Zentrale Dienste

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