Prof. Stefan Zeisberger ist auf einer Mission zur Verbesserung von Investitionsentscheidungen und finanziellem Wohlstand, wobei der Mensch im Mittelpunkt seiner Forschung steht. Er gibt Einblicke in seine neuesten Erkenntnisse zu Risikowahrnehmung, Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Text: Cornelia Kegele & Victoria Watts
Mein Forschungsgebiet ist eine Kombination aus zwei scheinbar gegensätzlichen Bereichen: dem Finanzwesen mit seinem vermeintlich rationalen Denken und Denker:innen sowie der Psychologie, die die „weichere“ Seite des menschlichen Verhaltens erforscht. Diese Überschneidung ist sehr interessant, denn selbst Finanzprofis machen oft die gleichen grundlegenden Fehler wie Kleinanleger:innen. Durch meine Forschung verfolge ich das Ziel, Forschung mit Auswirkungen auf die reale Welt zu betreiben.
Ich habe viele interessante Beispiele dafür gesehen, wie wichtig es ist, die Psychologie der Finanzen und der Finanzkommunikation zu verstehen. So versuchte eine amerikanische Bank einmal, ihre Kund:innen während einer turbulenten Finanzperiode zu beruhigen, indem sie beruhigende E-Mails verschickte. Diese E-Mails hatten jedoch den gegenteiligen Effekt. Auf der Grundlage meiner Forschung möchte ich solche Fehler aufzeigen, damit die Menschen bessere Entscheidungen treffen können.
Die Risikowahrnehmung ist faszinierend, weil sie systematisch vom tatsächlichen Risiko abweicht. Persönliche Erfahrungen, Erziehung und sogar der kulturelle Hintergrund spielen eine große Rolle dabei, wie Menschen Risiken sehen. Menschen, die in Zeiten des wirtschaftlichen Abschwungs aufgewachsen sind, neigen beispielsweise ihr ganzes Leben lang zu einem vorsichtigeren Umgang mit ihren Finanzen. Nehmen wir einen speziellen Fall in Deutschland: Die Menschen in den östlichen Bundesländern investieren auch aufgrund der historischen Skepsis gegenüber dem Kapitalismus immer noch weniger in Aktien als die Menschen im Westen. Ein weiterer interessanter Aspekt: Die Menschen schätzen die Risiken höher ein, wenn sie etwas nicht gut verstehen. Finanzielle Bildung und simulierte Anlagespiele können helfen, diese Lücke zu schliessen.
Ja, ich untersuche derzeit, warum sich Menschen für nachhaltige Investitionen entscheiden - oder eben nicht. In einer aktuellen Studie, bei der wir mit einem deutschen Robo-Advisor zusammengearbeitet haben, haben wir festgestellt, dass sich nur 30 Prozent der Neukund:innen für nachhaltige Anlagen entschieden. Dabei glaubten die meisten von ihnen, dass nachhaltige Portfolios bessere Renditen bringen würden. Nur 12 Prozent aller Anlege:innen waren bereit, auf die erwarteten Renditen zu verzichten, was angesichts früherer Untersuchungen auf diesem Gebiet eine überraschend niedrige Zahl ist. Im Allgemeinen untersuche ich die Hindernisse für nachhaltige Investitionen, wie Vertrauensprobleme, Bedenken wegen Greenwashing oder einfach mangelndes Wissen. Darauf aufbauend möchte ich untersuchen, wie sich Nachhaltigkeit bei Investitionen messen lässt und wie diese Konzepte den Anleger:innen besser vermittelt werden können.
Die Digitalisierung verändert die ganze Welt dramatisch und damit auch die Investitionen. Deshalb untersuche ich, wie digitale Technologien das Anlageverhalten beeinflussen. Heute ist es einfacher denn je, zu investieren. Man kann sich eine App herunterladen und mit ein paar Klicks investieren. Diese sogenannte Demokratisierung der Finanzmärkte ist aufregend, aber aber sie birgt auch Risiken. Der Übergang vom Computer- zum Smartphone-Handel hat dazu geführt, dass die Anleger:innen schneller und impulsiver handeln. Wir haben gesehen, dass dies zu risikoreicheren Portfolios führt. Außerdem beeinflussen die sozialen Medien zunehmend das Anlageverhalten, da immer mehr Menschen Finanzinformationen aus weniger kontrollierten Quellen erhalten. Ich untersuche die Auswirkungen auf unser Verhalten, auf die Finanzmärkte und die Finanzdienstleistungsbranche, zum Beispiel, welche neuen Produkte und Dienstleistungen entstehen werden.
Stefan Zeisberger ist Professor für Fintech - Experimental Finance am Departement für Finanzen der UZH.
Quelle: Oec. Magazin Ausgabe #22
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